Zeitz. Gegen Ende des Krieges häuften sich die Fliegeralarme. War es am Tage, wurden wir aus der Schule nach Hause geschickt. Des nachts weckte mich meine Tante, bei der ich aufgewachsen bin. Schlaftrunken zog ich meinen Trainingsanzug an, nahm mein Notköfferchen und dann ab in den Luftschutzkeller. Viele Häuser der Altstadt waren meist auf stabilen Gewölben mit dicken Mauern gebaut.
Anfang April 1945 näherten sich die amerikanischen Streitkräfte von Thüringen kommend unserer Stadt. Auch Aufklärungsflugzeuge kreisten öfter über unserm Gebiet. Jeder hoffte, dass Naumburg von Zerstörungen verschont bleiben würde. Am 9. April 1945 heulten die Sirenen. Zur Sicherheit gingen wir in letzter Zeit in einen tiefer gelegenen Luftschutzkeller unseres Nachbarhauses Engelgasse 7. Kaum waren wir, meine Tante und ich sowie einige Hausbewohner im Keller, hörten wir es oben krachen und das Haus erschütterte. Dreck rieselte zum Kellerschacht herein. Meine Angst war riesengroß. Ich klammerte mich an meine Tante und sagte zu ihr: “Bloß nicht lebendig begraben werden!” Danach herrschte Totenstille. Eine ältere Hausbewohnerin, welche noch nie einen Luftschutzkeller aufgesucht hatte, kam sehr verstört herunter und weinte. Sie sagte: “Ich weiß nicht, ob unser Haus noch steht.” Nachdem Entwarnung gegeben war, wagten wir uns aus dem Keller nach oben . Zunächst waren wir froh, dass unser Wohnhaus - Reußenplatz 17 - noch stand, aber o weh, die Fensterscheiben waren kaputt, Türen aus den Angeln gehoben und überall lagen Steine, Dachziegel und Glas umher. Am nächsten Tag konnten wir das ganze Ausmaß der Zerstörungen erfahren. Zwei Schlachtflieger, vom Buchholz her kommend, hatten ihre Bombenlast über Naumburg abgeladen. Zerstörungen gab es in der Medlerstraße, Neustraße, Neugasse, Salzstraße, Salzgasse, am Topfmarkt mit der Sparkasse, dem Altersheim, der Druckerei Sieling und der Wenzelskirche. Weitere Bomben fielen in der Marienstraße, Fischstraße, auf den Stadtfriedhof (heute Stadtpark) und in der Gartenstraße. Tage später wurde auch das Heereszeugamt bombardiert. Auf Wunsch meiner Pflegeeltern Elfriede und Karl Foth, Naumburg, Reußenplatz 17, habe ich alle Fliegeralarmzeiten von 1943 bis 1945 aufgeschrieben.