Tage und Nachte eine gewaltige Übermacht an Panzern, Geschützen und Nachschub durch unseren Ort und die Flur rollten. Die Gefahr für den Ort und die Bevölkerung bestand darin, dass eine abgezogene Flakeinheit mit zwei Vierlingsgeschützen aus dem damaligen Hydrierwerk bei Zeitz vor unserem Ort westwärts zum Panzerbeschuss in Stellung gebracht werden sollte. Die Geschützstände wurden ein paar Tage vorher von uns Hitlerjungen sowie den Flaksoldaten ausgehoben und vorbereitet. Die Geschütze standen früh am 12. April 1945 auf dem Waggon im Bahnhof Osterfeld bereit. Nur durch die Besonnenheit meines Vaters Fritz Schmidt, der in Löbitz Bürgermeister war, in Verbindung mit einem Oberfeldwebel der Luftwaffe konnte verhindert werden, dass die Geschütze nicht zum Einsatz kamen. Der Ort wäre sonst in Schutt und Asche geschossen worden. Auf dem oben gezeigten Bild sind die Flakhelfer zu sehen, die vor Löbitz von den Amerikanern am 12. April 1945 gefangen genommen wurden.
Am Vortag mussten zwei große Rittergutswagen mit je 30 Dezitonnen Pflastersteinen beladen werden, die als Panzersperren dienen sollten. Sie wurden jedoch in unwegsames Gelände gerückt, so dass sie am 12. April 1945 nicht bereitgestellt werden konnten. Noch erwähnt werden muss, dass eine geschwächte Infanteriekompanie von etwa 30 Mann, die im Rittergut untergebracht war, zur Verteidigung des Ortes eingesetzt werden sollte. Hier gelang es dem damaligen Gutsbesitzer, den befehligenden Offizier von der Sinnlosigkeit der Verteidigung mit diesen schwachen Waffen und Soldaten zu überzeugen und den Ort kampflos zu übergeben. Im Dorf befanden sich zum damaligen Zeitpunkt doppelt so viele Flüchtlinge aus Ostpreußen, Schlesien, dem Rheinland sowie Berliner als Einwohner.
Vor dem Einmarsch der Amerikaner wurden die Einwohner von den Verantwortlichen aufgefordert, die weiße Fahne zu hissen und somit den Ort kampflos zu übergeben. Durch diese Taten war es möglich, die Einwohner vor Kriegsschäden und Verlusten an Menschen zu verschonen. Lediglich eine Feldscheune sowie ein Stallgebäude wurden in Brand geschossen. Nicht verschweigen darf man, dass diese mutigen Taten im Endkampf des Krieges gefährlich waren und sofort mit dem Tode durch Erschießen bestraft werden konnten.
Nach der Besetzung mussten wir für einige Tage die Häuser verlassen. Es wurde nichts weggenommen. Auf den Wiesen von Löbitz nach Pauscha übernachteten einige Einheiten. Sie hinterließen so viele Konserven, wovon wir uns tagelang versorgten. Noch am gleichen Tag mussten auf Befehl der Amerikaner sämtliche Granaten und Waffen, darunter Karabiner, MG, Jagdgewehre, Kleinkaliber sowie Luftgewehre abgegeben werden. Sie wurden am darauf folgenden Tag mit Benzin Übergossen und verbrannt. Der gesamte Angriff wurde durch ein Flugzeug der Amerikaner aus der Luft geleitet. Fast die gesamte Bevölkerung hatte sich selbst in die bewaldeten Schluchten um Löbitz evakuiert und für mehrere Tage mit Lebensmitteln versorgt, um einem Panzerbeschuss des Dorfes zu entfliehen.
Es war ja nicht klar, ob die Geschütze doch noch in letzter Minute zum Einsatz kommen würden und der Ort dadurch in Schutt und Asche geschossen worden wäre. Hinter dem Dorf nach Pauscha wurden in der Feldflur zwei deutsche Infanteristen erschossen. Sie wurden auf dem Friedhof in Löbitz begraben. In den ersten Apriltagen stürzte ein viermotoriger Bomber hinter Löbitz ab. Die Besatzung konnte sich zum Teil mit dem Fallschirm retten und wurde gefangen genommen. Des Weiteren würde ein deutsches Jagdflugzeug im Luftkampf bei Löbitz abgeschossen. Der Pilot kam ums Leben und wurde mit allen militärischen Ehren begraben. Als Denkmal wurde ihm ein Propellerteil des Flugzeuges aufgestellt.