Natürlich kam die Mühle ursprünglich von Oma. Sie lebte in Grochlitz. Omas Mohnkuchen war besonders gut, deshalb besaß die Mühle damals schon so großen Wert. "Damals", 1954, war ich 10 Jahre alt, und wir wohnten in der Blumenstraße.
Das kleine technische Wunderwerk war immer faszinierend für mich. Eigentlich war es eine alte Kaffeemühle. Kaffee zum Mahlen besaßen wir nach dem Krieg nicht. Außerdem durfte man die nach zerquetschtem Mohn duftende Handmühle nicht mit Kaffee verunreinigen.
Das Mahlgetriebe konnte man mit einer Federrastung an der Kurbelachse nach Feinheitsgrad einstellen. Alles ohne Mikroprozessor! Natürlich wurde der feinste Quetsch eingestellt, damit man den maximalen Mohneffekt und -duft erreichte. Der Aufnahmetrichter faßte etwa sechs Eßlöffel rohen Klatschmohn. Nach "racke, racke", einigen hundert Kurbelumdrehungen und mehreren Nachladungen hatte man genug frisch gemahlenen Mohn, der, mit Gries und anderen wundervollen geheimen Kuchenzutaten gemischt, eine wohlschmeckende Auflage für den Hefeteig ergab. Bei Mittelhitze im Gasofen gebacken (Oma tat das im Kohleherd), war der Festschmaus unübertroffen.
Mehrmals mußte man mitten im Mahlprozess das kleine Holzschubfach aus der Mühle herausnehmen und das Mahlgut ausleeren. Das Kästchen durfte nicht zu voll sein, sonst wären eventuell einige Krümel daneben gegangen. Durch zärtliches Klopfen und Ruckein konnte man es optimal füllen. Den Trick hatte ich perfekt raus und war der Topspezialist fürs Mohnmahlen.
Man mußte die hölzerne Mühle beim Mahlen auch sicher im Schoß einklemmen, damit das Schubkästchen durch die Vibration nicht etwa herausfiel oder sich lockerte.
Viele Erinnerungen an meine Kindheit hängen an der guten alten Mühle, so daß sie noch heute einen Ehrenplatz in meiner Küche hat. Da ich in den USA lebe, wo es keinen Mohn gibt, wird nunmehr Mohnkuchen brutaler- und bequemerweise mit backfertiger Mohnmasse aus der Tüte gebacken. Sie wird bei jeder Überseereise per Handgepäck eingeflogen. Mahlen ist nicht mehr notwendig, aber trotzdem schmeckt's ausgezeichnet.
Lutz Heinrich, White Plains, NY, U.S.A. (1954)
Mutters Mohnmühle
Der uralte Kasten! Noch heute fühle ich das Rumoren der Mahlräder, das man wahrnahm, wenn man die kunstvoll geschwungene Handkurbel kraeftig und ausdauernd genug betätigte.