Torschule in solch eine Gemeinschaft aufgenommen. Am 3. Mai 1944, ich war am 2. Mai gerade 12 Jahre alt geworden, ging die Reise los nach Naumburg in den “Alten Felsenkeller”. Die Tische im Gastraum der Ausflugsgaststätte waren in Reihen aufgestellt und der Saal wurde zu unserer Schlafstätte mit Doppelstockbetten und Strohsäcken. Mit uns kam auch der Klassenlehrer und drei Lagermädelführerinnen. Die erste Nacht, vom 3. zum 4. Mai 1944, werden wir wohl alle in Erinnerung behalten haben, denn an Schlafen war nicht zu denken: Lachen, Toben und über mir krachte das Bett zusammen. Gegen l .00 Uhr schien Ruhe zu sein, doch um 4.00 Uhr wollten wir uns schon wieder anziehen. Aber denkste: Alle mussten wieder ins Bett; nur einzelne Nachtgespenster huschten immer wieder herum.
In der kommenden Zeit rauften wir uns alle zusammen. Der Tag begann mit einem Fahnenappell. Für das leibliche Wohl sorgten unsere Wirtsleute, Frieda und Walter Weiland, doch auch wir wurden wöchentlich zur Küchen- und Hausarbeit eingesetzt. Die Gegend um den Felsenkeller machten wir oft unsicher. So waren wir in Schellsitz, in der “Neuen Welt” (damals auch KLV-Lager), in Schönburg, im Naumburger Dom und auf der Rudelsburg.
Aller 14 Tage ging es ins Wannenbad am Neuengüter. Anschließend marschierten wir in 3er-Reihen mit lustigen Liedern auf den Lippen durch die Stadt.
Am 21. Mai 1944 hatten unsere Wirtsleute Weiland Silberhochzeit. Wir brachten ein Morgenständchen und machten einen Ausflug nach Freyburg, zur Neuenburg und Jahn-Gedenkstätte. Abends durften wir noch mitfeiern, tanzen und singen und labten uns an Kuchen mit Schlagsahne.
Manche von uns hatten großes Heimweh. Aller vier Wochen konnten die Mütter uns besuchen. Diese Tage waren für uns immer die schönsten. Wir studierten ein kleines Programm ein: Gedichte, Lieder, Märchenspiele auf der Plattform (zwischen Felsenkeller und Fähre). Obwohl keine zusätzlichen Naschereien erlaubt waren, bekamen wir doch welche und verdrückten diese nachts heimlich unter der Bettdecke.
Ungefähr zehn Monate lang haben wir Schülerinnen aus Halle in Naumburg schöne und traurige Tage verlebt. Mit den Soldaten gab es Motorbootfahrten, am Gänsegries durften wir baden oder am Felsenkeller von Ufer zu Ufer schwimmen oder gar bis zur Fähranlegestelle. Besonders lustig war es, wenn wir auf der Waage der Schweinemästerei gewogen wurden. Fliegeralarm erlebten wir immer im eigentlichen “Felsenkeller”. Dorthin flüchteten wir uns zusammen mit den Einheimischen, die mit Kind und Kegel aus Grochlitz kamen. Es gab einen schlimmen Tag mit Bombenabwürfen. Häuser in Grochlitz und Naumburg wurden zerstört; auch die Schweinemästerei. Nach der Entwarnung guckten wir immer in Richtung Heimat: Halle und Leuna, wo der Himmel rot gefärbt war. Im Jahre 1996 haben sich 12 ehemalige “Jungmädel” gesucht und gefunden und den “Alten Felsenkeller” besucht.
Am 3. Mai 1999, 55 Jahre nach unserem damaligen Ankommen, trafen wir uns erneut. Einige übernachteten auch und es ging auch hier wieder lustig zu.
Unser nächstes Treffen ist für den 4. Mai 2004 geplant: nach einer Dombesichtigung wollen wir dann nach 60 Jahren den “Alten Felsenkeller” erneut unsicher machen.