Interesse erregte. Das Gitter des Tunnel-Eingangs war leicht zu öffnen und so wagten wir uns beklommen ein paar Schritte hinein. Aber es war uns doch zu unheimlich, wir kehrten gleich wieder um. 2 bis 3 Jahre später, als wir Karl May und andere Abenteuerromane zu lesen begannen, kamen wir dann doch zu dem Entschluß, den Tunnel weitgehendst zu erforschen. Wir bewaffneten uns mit Taschenlampen und brachen auf zu einer Expedition in den Tunnel.
Zuerst fing es recht gut an. Der Boden war aus Stein, der Bach floß in der Mitte in einer offenen Rinne. Der Tunnel blieb so hoch, dass wir darin aufrecht gehen konnten. Von rechts und links gab es in den Wänden ab und zu Röhren, aus denen zeitweise Wasser floß, oft vermischt mit braunem Schlick. Der verbreitete einen ziemlich miesen Geruch. Aber das konnte uns nichts anhaben, wir waren auf einer Expedition und mußten mit solchen Dingen fertig werden. Auch als ab und zu einer auf dem glitschigen Boden ausrutschte und in die braune Soße fiel, war das eben eine Begleiterscheinung, mit der man eben zunehmend rechnen mußte.
Wir waren schon eine ganze Weile unterwegs, als der Tunnel plötzlich sein Ende fand. Rechts und links gingen zwar kleinere Tunnel weiter, aber die waren nicht begehbar. Was nun?
Da kam von ferne ein Geräusch, wurde immer lauter, donnerte über uns hinweg und verlor sich wieder in der Ferne. Was war das? Dort wo wir standen ging auch von der Tunneldecke aus ein Schacht mit Steigeisen In die Höhe, der oben eine Abdeckung hatte, mit einem Schlitz, durch den das Tageslicht fiel. Wir hoben einen von uns in den Schacht, bis er über die Steigeisen ganz nach oben klettern konnte. Er schaute durch den Schlitz und meldete: "Wir sind am Wenzelsring! Und was eben solchen Krach machte, war die Straßenbahn."
Also hatten wir ein Ziel erreicht, waren's zufrieden und machten uns wieder auf die Rückreise. Die Abenteuer-Romantik ließ nun merklich nach, dafür wurde unsere Sorge immer größer: wie wird man uns zu Hause empfangen, nachdem wir so intensiv mit der Kloake in der Buchholzstraße Bekanntschaft gemacht hatten und mit ihr unübersehbar in Tuchfühlung gekommen waren?
Hans-Gerd Koch, Aachen
In Naumburgs Unterwelt
Aufgewachsen bin ich in meinem Elternhaus in der Buchholzstraße wenige Häuser unterhalb des Brunnens. Vom Brunnen aus ging der Ziegelgraben bis zum Buchholz. Vom Buchholz her floß ein Bach durch den Ziegelgraben und verschwand etwa 300m vor dem Brunnen in einem "Tunnel". Das war natürlich ein Punkt, der unser besonderes