Domgymnasiums meist Führer im Jungvolk. Im Juni 1944 gab es eine Woche der Jugend, nun zusammen mit der Hitlerjugend. Dabei sah man erstmalig die Marine-HJ. Es war angeordnet worden, eine Woche lang Uniform zu tragen. So erschienen wir zur Beerdigung eines Klassenkameraden sämtlich in Uniform. Es wurde auch ein Vorbeimarsch eingeübt, mit angewinkeltem Arm und Daumen hinter dem Koppelschloß. So zogen wir von der Vogelwiese durch die Jakobsstraße zum Markt. Die Jungmädel bildeten Spalier. Meine Schwester meinte, es habe ausgesehen, als wenn wir alle Bauchkneifen gehabt hätten. Das Rathaus war mit riesigen Hakenkreuzfahnen beflaggt. Zwei Jahre später waren es dann nur noch rote Fahnen. Den weniger verblichenen Kreis mit Hakenkreuz sah man dann noch. Eindrucksvoller war die feierliche Aufnahme vor dem Langemarck-Denkmal oberhalb des Bürgergartens. Da wurde uns beigebracht "Ein Hitlerjunge macht keinen Diener" beim Händedruck.[...]
Geländespiele
Jeder Pimpf hatte einen DJ-Ausweis, der einmal im Monat gestempelt wurde, dazu gab es eine Dienstbenotung. Bisweilen gab es auch sonntags Dienst. Dann zog man mit Fahne z.B. zum Sperlingsholz. Oben auf der Höhe angelangt wurden die Ausweise gestempelt. Dann wurde das "Ausschwärmen" befohlen. Die meisten kletterten auf Bäume. Andere kletterten auf einer hölzernen Panzeratrappe herum. Zu Ende dieses Ausflugs mußte die Fahne wieder ins Haus der Jugend gebracht werden. Geländespiele gab es unter der Woche z.B. im Bürgergarten und auf dem Exerzierplatz. In einer Schlucht oberhalb des Bürgergartens wurde ein Überfall geübt. Die eine Partei mußte sich unter Fichten verbergen, die andere Partei sollte überfallen werden. Als die zu überfallende Partei durch die Schlucht zog, stürmte die verborgene Partei aus der Deckung hervor und es gab Ringkämpfe Pimpf gegen Pimpf. Das Pfeifen der Jungzugführer beendete das Spektakel.
Ein anderes Mal zogen wir zum Exerzierplatz. Auf einem Baum wurde ein Brief versteckt, der zu erbeuten war. Zwei Parteien wurden gebildet, die Angreifer und die Verteidiger. Die Einen trugen ihr Fahrtentuch um den rechten Arm gebunden, die anderen um den linken. Die Fahrtentücher sollten mit einer Schleife zugebunden werden, nicht mit einem Knoten. Wenn es dem Gegner gelang, die Schleife aufzuziehen, war der Gegner sozusagen "tot" und er schied aus. Ganz Gewitzte machten dennoch einen Knoten in das Fahrtentuch, so daß es sehr schwer war, diesen Gegner matt zu setzen. Das sollte eigentlich nicht sein, wurde aber praktiziert. Die Ehrlichen waren die Dummen.
Große Geländespiele
Im Sommer 1944 gab es ein großes Geländespiel, das zusammen mit der Napola (NPEA) gleich "Nationalpolitische Erziehungsanstalt", früher Kadetten-Corps, durchgeführt wurde. Da es kein Manöver NPEA gegen DJ sein sollte, wurden die Parteien aus DJ und NPEA gemischt. An der Stadtmauer sollte Naumburg verteidigt werden. Die Angreifer mußten auf Schleichwegen zum Markt gelangen. Etliche dieser Angreifer kletterten an unbeobachteten Stellen über die Stadtmauer und gelangten auf den besagten Schleichwegen zum Markt. Naumburg wurde von den Verteidigern also nicht gehalten.
Im selben Sommer gab es auch einen Staffellauf rund um den Ring. An den Stabübergabestellen wurden diejenigen postiert, die nicht am Lauf beteiligt waren, sie waren somit nur Zuschauer. Ich glaube, das war alles im Zusammenhang mit der Woche der Jugend, in welcher wir die ganze Dauer dieser Woche Uniform zu tragen hatten, auch zur Beerdigung eines gestorbenen Klassenkameraden aus der Salztorschule. Da waren wenigstens alle gut angezogen. Am Sonntag fand ein großer Vorbeimarsch von der Vogelwiese durch die Jakobsstraße zum Markt statt. Die Jungmädel bildeten Spalier und wir mußten mit angewinkeltem Arm, Daumen, hinter dem Koppelschloß und Augen links paradisch marschieren.
Pimpfen-Probe
Schon sehr früh im Sommer fand die Pimpfen-Probe statt. Diese Prüfung bestand aus relativ zahmen sportlichen Leistungen: Weitsprung 2,50 m, 75 m-Lauf in 12 Sekunden und sonst wohl noch einiges, z. B. lernen: Unsere Fahne flattert uns voran, nur die 1. Strophe Deutschlandlied; aber 3 Strophen "Horst-Wessel-Lied". Aus Jux sang man die Pfanne hoch, die Bratkartoffeln brennen. Nach bestandener Pimpfen-Probe durfte man Schulterriemen und Fahrtenmesser tragen. Dann gab es die Aufnahme in das Deutsche Jungvolk mit einer Feier am Langemarck-Denkmal. Per Händedruck wurde dann die Aufnahme bestätigt, wobei man keinen Diener machen durfte. Das Naumburger Tageblatt berichtete über diese Feier. Bürgermeister Radwitz war zugegen und selbstverständlich auch der Bannführer, der mit dem Dienstmotorrad gekommen war. [...]
Führerdienst am Sonntag
Was mir nicht gefiel, war der Führerdienst an jedem Sonntag. Meiner Mutter gefiel das auch nicht. Was mir auch nicht gefiel, waren Sauberkeitsapelle. Hatte man zu viel Ohrschmalz im Ohr, mußte man auf der Vogelwiese in einem großen Kreis herumlaufen und rufen: "Ich bin ein Dreckschwein." Posten waren aufgestellt, die einen ermahnten, auch das besagte Zitat zu rufen. Auch Fahrtenmesser wurden geprüft, ob sie blank waren. Waren sie es nicht, so flogen sie im hohen Bogen in den Sand, und man mußte diese nachher wiederholen.
Lieder, die wir lernten und sangen
Recht Lustig fanden wohl viele das Spottlied auf den Duce: "O, grande Mussolini, hei der Faschistico, sie fraßen Makkaroni, bis daß der Bauch zerplatzet vor lauter Fressico."
Jedes Fähnlein hatte ein spezielles Fähnleinlied. Das Fähnleinlied des Fähnleins 6 war "Hoch auf dem gelben Wagen". Beim Endvers "Aber der Wagen, der rollt" verstand ich mitunter: "Aber der Magen, der knurrt". Das Fähnlein S hatte als Fähnleinlied: "Wir sind vom ersten Steyerischen Tschechobattalion, Heil und Sieg der 1. Kompanie." Und weiter: "Und ist der Friede da, so rufen wir hurra, nach alter Jägersart mit wip hurra, ja so gehen wir, ja so stehen wir..." Die Melodie nach dem "Wir sind vom k. u. k. Infanterieregiment..." Das kam mir zu habsburgisch vor. Da fand ich: "Der Preußenkönig hat gar viel Soldaten..." sehr viel schöner.
Bei unserem damaligen Jungzugführer, Martin Assmus lernten wir: "Und ein Harung dick und stramm, der auf dem Meeresgrund schwamm, verliebte sich, o Wunder, in eine Flunder." Noch im Fähnlein 6 lernten wir: "Es steht eine Mühle im Schwarzwälder Tal, die klappert so leis vor sich hin..." Das war doch eigentlich harmlos!