Panzer dicht vorbei.
Einschüsse an Häusern
Für uns gab es ein Problem, da wir im Hinterhaus wohnten und sich die Toiletten im Hof befanden. Wir vermieden es deshalb, uns auf dem Hof aufzuhalten, da unmittelbar die Amerikaner entlang fuhren. Bestand doch die Gefahr, dass geschossen wurde. Und dass auch geschossen wurde, zeigten zwei Einschüsse einige Häuser weiter. Vermutlich nahmen sie Widerstand an. Erst später kamen Bergungspanzer zum Einsatz. Zum Verfüllen der Trichter wurde alles Mögliche genommen. Gartenzäune, Trümmerschutt, aber auch der Koks vom Lagerplatz der Firma Siegel. Wir sahen auch zu, wie ein E-Karren in den Trichter geschoben wurde. Diese Fahrzeuge fuhren bei Alarm aus dem Heereszeugamt. Selbst unsere zirka zehn Meter hohe Birke wurde aus Platzgründen umgestoßen.
Kaugummi gesammelt
Als Kinder waren wir viel auf der Straße und sammelten Kaugummi, der uns entgegengeworfen wurde. Dabei sahen wir erstmals amerikanische Soldaten schwarzer Hautfarbe, auch welche mit Turban und Säbeln. Diese hatten es auf die Hühner im Nachbargrundstück abgesehen. Tagelang fuhren amerikanische Fahrzeuge Gegenstände und Sachen aus den Kasernen in die Trichter. Viele dieser Sachen wurden dann später von den einmarschierenden russischen Truppen wieder heraus geholt. Beim Zusehen gaben sie uns eine Handsirene, und sie hatten ihren Spaß, als wir daran drehten. Sehr zum Ärger der Anwohner, was auch nach den vorherigen Ereignissen verständlich war. Meiner Meinung nach waren die amerikanischen Soldaten recht human. Auf dem Gelände des Heeres-Verpflegungsamtes hatten sie ein Internierungslager eingerichtet. Ich befand mich auf dem
Weg zwischen Schönburger und Grochlitzer Straße, als eine Person am Zaun neben den Bahngleisen mir zuwinkte und zu verstehen gab, eine Decke zu bringen. Ich holte eine Decke, und obwohl ein Posten in der Nähe war, konnte ich die Decke durch den Zaun reichen.
Opfer zu beklagen
Noch heute, 60 Jahre danach, sehe ich diese Zeit genau noch so vor mir wie damals. Und ich stelle mir immer wieder die Frage: Musste die sinnlose Bombardierung kurz vor Einzug der amerikanischen Truppen noch sein? Wenn auch der Angriff dem Heereszeugamt galt, es lag völlig in Trümmern, so gab es
doch viele Opfer unter den Zivilbeschäftigten. Abgesehen von den materiellen Schäden, insbesondere im Gebiet zwischen Linsenberg und der Weichau.
Splittergraben getroffen
Jedes Mal, wenn ich zum Kaufland fahre und mein Blick auf das Gelände fällt, das von den Bomben zerstört wurde, habe ich die Ereignisse vor mir. Ich weiß nicht, wie viele Opfer bei der Bombardierung statistisch erfasst wurden. Gesehen habe ich aber mehrere Tote, vor allem im Bereich zwischen Kroppen-talstraße und Linsenberg, wo ein Splittergraben mit Zwangsarbeitern getroffen wurde.
Geburtstag gefeiert
Begeht man heute den Linsenberg, so ist davon kaum noch etwas zu sehen. Die geschädigten Häuser sind meist wieder aufgebaut, und auch sonst hat sich sehr viel bis zum Zuckerberg verändert. Vielleicht sei noch gesagt, dass wir und zwei bombengeschädigte Tanten mit Kindern im Verwaltungsgebäude des Heereszeugamtes eine Wohnung bekamen und für uns Kinder das Gelände als Spielplatz diente. Dabei sind wir als Kinder sehr fahrlässig mit kriegerischem Material umgegangen. Bekannt ist auch, dass von vielen Naumburgern das Arsenal zum Plündern genutzt wurde. Es kam dann eine Hilfspolizei zum Einsatz, zu erkennen durch eine rote Armbinde. Es sei noch erwähnt, dass das gerettete Baby von damals heute in einem Ortsteil von Naumburg wohnt und am 8. März inzwischen seinen 60. Geburtstag gefeiert hat.