der Weichau. Erlernte von 1938-1941 das Tischlerhandwerk. Nach bestandener Gesellenprüfung als Bau- und Möbeltischler wurde ich (es war ja Krieg!) in die Naumburger Flugzeugwerke dienstverpflichtet. Ich besuchte mehrere Segelflugschulen und eine Segelflug-Bauschule. Auf Grund meiner vorangegangenen freiwilligen Meldung hätte ich sowieso zum RAD oder der Wehrmacht gemußt, also erfolgte für Oktober 1941 die Einberufung zur LW als Techniker bei den Lastenseglern.
Viele meiner Alterskameraden trugen schon den Waffenrock. Einigen war das Schicksal nicht hold, sie blieben in Feindesland. Andere, auch ich, wir glaubten, wir kämen zu spät. Somit dürfte für mich, wie für viele, die Kindheit und Jungend in Naumburg beendet sein.
Moritzstraße, -Berg, -Kirche, -Wiesen
Hier im November 1923 in der Inflationszeit mit den vielen Nullen, geboren. Kein Kinder-Hort oder Kindergarten, an den Häusern noch verschiedentlich Weinstöcke, Straßenbeleuchtung mit Gaslaternen, oft im Winter viel Schnee, Kopfsteinpflaster, wenn schwere hohe Kohlenwagen von Pferden gezogen und oft auch darauf ausrutschten, so dass die Funken (durch die Hufeisen) geflogen sind und auch manchmal die Pferde gestürzt waren. Im Sommer die schweren Bierwagen oder auch Bausand-Wagen verursachten ein böses Geratter. Zeitlich kamen Straßenmusikanten, machten böhmische Blasmusik. Tanzbären wurden vorgeführt und zeigten ihre Kunst, ließen aber respektvollen Abstand zu ihnen erwarten. Näher ging’s schon ran, bei den Scherenschleifern und Heidelbeerwagen. Mit der Meute, den Kindern aus der Nachbarschaft, ging’s oft in die Moritzwiesen um Blumen, Veilchen, Himmelsschlüssel zu suchen, im Herbst Äpfel zu stoppeln.
Unsere privaten, familiären Spaziergänge gingen an der Holländer-Mühle vorbei zum Birkenwäldchen und Sperlingsholz, auch in die Sperlingshöhlen, um das Gruseln zu lernen. Die Teufelstreppen in Richtung Almrich-Bismarckturm von der Kösener Straße aus kommend, ließen bei uns Kindern ein Rätsel als unbeantwortet zurück. Angenehmer war da die Spaziergänge in den Saalewiesen, im Blütengrund mit dem geheimnisvollen “Donnerloch”, aber weit interessanter die Fähre an der Unstrutmündung. Diese wurde abwechseln von der “Henne” oder aus Richtung Stadt angelaufen. Über die Hennebrücke mußte noch eine Zeit lang Brückengeld gezahlt werden, aber schöne Spaziergänge unterhalb der Weinberge wo man oft die Gabelweihe segeln oder den Klapperstorch “zu Fuß” beobachten konnte.
Weitere Wanderungen gingen unter Anderem zum “alten Felsenkeller”, Kroppenmühle bis zur Schönburg. Als kleinen besonderen Anziehungspunkt galt auch die Tankstelle “Milchschänke” in der Weichau mit einem kleinen Gehege wo unter anderem Federvieh und Goldfasanen gehalten wurden. Bei dem bejagbaren Wild in unserer Umgebung wurden zu Treibjagden vor allem Hausen, Rebhühner, Fasanen und Rehe zur Strecke gebracht. Interessant waren auch unsere Wanderungen bis an das Hochwasser in den Saalewiesen. Die “Mausa” entlang bis in die Unterwelt (Kanalisation) unternahmen wir immer nur mit wenigen Kindern. Bei meiner ersten Tour nach Bad Kösen mit der Schule, reichte es bei mir gerade noch bis an das Gradierwerk. Dann war ich K.O. und habe auf einer schattigen Parkbank oben am Gradierwerk den “Max und Moritz” fröhlich hin und her schaukeln sehen, bis ich mich langsam erholt hatte.
Unser Spielplatz Moritzstraße wurde ausgedehnt bis zur Moritz-Kirche. Hier war es besonders reizvoll, wenn Hochzeiten mit kirchlicher Trauung waren. Es wurden da kleine Sträußchen Tannengrün, Buchsbaum oder Blumen an einen Bindfaden gebunden und an der Kirchenausgangstür so lange gespannt gehalten, bis das Lösegeld von dem Brautpaar geworfen wurde und wir Kinder uns recht viel um das “Kupfer” gemüht haben, um danach gleich loszusausen, um an der Wohnung des Brautpaares dasselbe zu wiederholen. Gegen Abend wurde gepoltert und die Kinderschar reif im Chor: “Kuchen raus, Kuchen raus, sonst bringt der Storch kein Kind ins Haus!” Nun glaube ich wohl, alle wollten und wir bekamen Kuchen. Nun zum Wintersport, Schlittenfahren war von allen Kindern der Neuengüter als gut betrachtet, was aber dem “schwarzen”, einem Polizisten mit schwarzem Schnauzbart nicht behagte, obwohl es die damalige Verkehrsdichte zugelassen hätte, suchten wir schnellstens das Weite. Erfreulicher war da draußen an der Kadette, die Straße, die stadteinwärts liegt (Fichte-Straße?) Und in die Kösener Straße mündet, war quer rüber mit Kies abgestreut, so dass die Schlittenfahrt beendet wurde, aber auch die Fußgänger die Straße sicher benutzen konnten.
Nun noch zu all den vielen Geschäften, die in der Moritzstraße waren: Ein Korbflechter an der Ecke “Häbben”platz/Neuengüter zur Moritzstraße bildete den Anfang, dann gab es einen Kolonialwarenladen, wo es neben Lebensmitteln, Bonbon, Heringen auch Petroleum gab, ein Schornsteinfeger, eine Rind- und Schweineschlächterei, einen Schuster mit Schuhgeschäft und auch noch eine Wäscherolle (oder Mangel mit Handbetrieb), kleine Gärtnerei, Heilpraktiker und Autobesitzer, Tischlerei, Lebensmittel, Ecke Kanalstraße das Gasthaus “zum alten Fritz”, Obst und Gemüse, Friseur, Schneiderei, einen Lumpenmann: “Lumpen, Knochen, Alteisen und Papier” wurde auch damals schon gesammelt! Fahrrad und Radiogeschäft, auch traditionsgemäß eine Naumburger Kamm-Fabrikation, Heimarbeiter, ein Fuhrgeschäft mit zwei kleinen Pferden, Bäckerei, Kleinhandel mit Strick- und Wollsachen ist soweit alles, was noch hängen geblieben ist.
Noch zum Moritzberg, dieser veranlasste an der Einmündung zur Michaelisstraße die Straßenbahn immer mit einem kräftigen Quietschen zu jeder Tageszeit in der Kurve kundzutun, dass sie den Berg geschafft habe. Wir Kinder hatten unseren Spaß, wenn die Straßenbahn über die von uns gelegten Zündblättchen oder Knallkorken gefahren ist und sie zum Knallen gebracht hatte. Manchmal hat uns ein vorbeifahrendes Auto den Spaß verdorben und die Schienen frei gefegt.
Schule: bis April 1938
Meine Schulzuckertüte bekam ich Ostern 1930 in der 3. Knaben-Volksschule in der Schulstraße, die später in Salztor-Schule umbenannt wurde. Nebenan war die Mädchen-Volksschule und gegenüber neben der katholischen Kirche die katholische Schule. Hier habe ich noch in Erinnerung, dass wir beide Konfessionen eine Zeit lang gemeinsam unterrichtet wurden, dann mal getrennt, und dann wieder gemeinsam die gleichen “Pauker” hatten.
Aus der Moritzstraße waren wir 9 Schüler in der gleichen Klasse bis zum 4. Schuljahr. Das war der Martin Lehmann, der ist im Krieg bei der Marine gewesen und auf See gefahren und geblieben, Heinz Hildebrand, Gerhard Bauer starb nach 1945, Werner Dietzel war während der Schulzeit mal schwer krank, Rolf Blanke, Rudi Rosenberger, Horst Pospischny, Fritz Zitzmann, Gerhard Gehlfuß der leider auch im Ostern gefallen ist. Leider ist mir bis heute nur teilweise bekannt, welches Schicksal die anderen Schulkameraden hatten.
Die Schulmützen hatten für die Georgenschule schwarze Farbe, die Salztor-Schule: kaffeebraun; Mittelschule: grün; Dom-Gymnasium: blau und die Realschule rot, alle unten mit einem rot-weißen Rundumband (Stadtfarben?). Diese Kopfbedeckung wurde aber im 3. Reich durch das Käppi und braune Uniformmützen ersetzt und zeitweise bei unseren Schul-, Heimat- und beliebten Kirschfest getragen. Die Lanzen, die wir Schüler damals trugen, waren mit einem schwarz-weißen Fähnchen und die Klassenfahne mit rot-weißem Fahnentuch versehen, alle aber Girlanden- und Blumengeschmückt. Knaben und Mädchen gingen getrennt im Unterricht. Die Abschaffung der Prügelstrafe, meistens mit dem Rohrstock, wurde erst kurz vor meiner/unserer Schulentlassung angeordnet. Ich suchte mir immer einen “dicken” Rohrstock aus, soweit es möglich war. Unschön und dumm fand ich, als ich eines Tages mit meinem Schulbanknachbar H.W., der den gleichen Schulweg wie ich hatte, in die Klasse kam und er von einer Vielzahl Mitschülern “Spießruten” laufen mußte, bis er an seinem Platz war. Vermutlich, weil sein Vater einer andern Partei angehörte (etwa 1933/34). Erfreulich dagegen, dass wir hin und wieder zur Marienschule geführt wurden, um Filme anzusehen. Auch angenehm war es für die weniger gut betuchten, wenn es raus in die “Kadette” (oder auch in die Mittelschule?) ging, um zu Duschen.
Im Olympia-Jahr 1936 bekam ich eine Schwimmkarte und konnte kostenlos (vermutlich von der Stadt bezahlt) das Schwimmen lernen. In Folge war dann im Sommer die freie Saale unser Revier von der Hennenbrücke (Bahn) vorbei an der Badeanstalt von Franz Kaiser bis zum Gänsegries/Grochlitz bis zum Felsenkeller. Waren wir Abends auf dem Heimweg, und die Raddampfer der weißen Flotte kamen und machten ihre Wellen, ging es schnell in den nächsten Busch und in die nasse Badehose und rin’ ins Wellenwasser.
Da wir nicht mit RM gesegnet waren, gingen wir mit aufs Land, bei den Bauern Rüben verziehen, Hedrich (Unkraut) rupfen oder als Balljungen Bälle lesen auf dem Tennisplatz, um zu etwas Taschengeld zu kommen. Beim MTV (Männerturnverein) war ich nicht lange, da wurden wir vom Jungvolk übernommen. Auch die Jugendorganisation des DLV (Deutscher Luftsport Verband), die Wandervögel, Scharnhorst, die Falken (?) Blauhemden mit rotem Halstuch und mit Beginn der Lehrzeit wurde auch das Jungvolk (hier die älteren) in die HJ übernommen. Schon in der Schulzeit machte mir der Flugmodellbau und die Holzbearbeitung Spaß und ich wollte Tischler werden.
Erst noch mal zurück zu Olympia. Da wurde bei Berlin ein “olympisches Dorf” gebaut mit 160 Häusern, wo jedes einen Deutschen Städtenamen bekam. Da haben wir uns natürlich sehr gefreut, dass auch eines mit “Naumburg” bezeichnet wurde.
Lehrzeit 1938-1941
Nach der Konfirmation 1938 in der St. Othmar-Kirche ging ich in der Webergasse beim damaligen Lehrlingswart für 4 Jahre in die Lehre, die aber während dieser Zeit auf 3 Jahre herabgesetzt wurde, weil Facharbeiter gebraucht wurden (1938-1941). Als Lohn der Vergütung gab es im 1. Jahr 2 RM, im 2. Jahr 3 RM und im 3. Lehrjahr 4 RM. Das letzte Halbjahr sogar 0,50 RM mehr in der Woche. Mein Taschengeld blieb aber bei 50 Pfennig. Wahrscheinlich ist es der Grund gewesen, dass ich ein Leben lang Nichtraucher geblieben bin. Sport und Gesundheit trugen allerdings auch dazu bei. Die damaligen Stundenlöhne betrugen beim Tischlergesellen im 1. Jung-Gesellenjahr 0,39 RM, im 2. Gesellenjahr 0,49 RM, der Geselle 0,72 und der Angestellte bekam 0,82 oder 0,84 RM, das letztere weiß ich nicht so genau. Die Tischler hatten als Berufskleidung blaue und die Glaser, die nur Fenster herstellen durften, grüne Arbeitsschürzen. Gesellen wie Lehrlinge trugen in der Werkstatt und auf dem Bau noch Holzpantoffeln (“klack, klack, klack”). Manchmal wurden diese als Scherz von den Mitarbeitern auf dem Holzfußboden festgenagelt oder geleimt. Ich hatte auch mal Pech. Als ich mit dem Vierrad-Tafelwagen eine große lange Sperrholzplatte vom Holzhändler in der Salzstraße geholt habe und am Lindenrich kurz vor der Herrenstraße hatte die hinten überhängende Last die Vorderräder in die Höhe gehoben, so dass nur die Hinterräder belastet waren, aber hilfreiche Passanten halfen mir dankenswert, den Rest des Berges zu bezwingen. Bei einer anderen Lieferung von einer neuen Haustür hoch direkt ins Sperlingsholz (Haus Lamberty Muck) hingen uns “Stiften” als Zugtiere ganz schön die Zungen raus. Lamberty betrieb eine Holzkunst-Werkstatt und stellte viele, schöne und verschiedene Holzkunstsachen her. Erst, bis die Artillerie-Kaserne wieder fürs Militär gebraucht wurde, in der Weißenfelser Straße und dann zwischen Kanalstraße und Dom.
Da ich in die HJ übernommen wurde, gab es die Empfehlung, möglichst auch in eine Sondereinheit zu gehen, die auch dem Beruf ähnlich und nützlich sei. So war es naheliegend, dass ich zu der Flieger-HJ ging. Bei Reparaturen und Neubau konnte ich “Baustunden” sammeln, die notwendig sein sollten, um zum Fliegen zu kommen. Vermutlich als Spätfolgen, die noch aus der Zeit in der Moritzstraße in meiner Erinnerung waren, als wir mit der ganzen Familie einmal zu einem Flugtag südlich der Stadt am Exerzierplatz in der Nähe von der Geisterlinde nach Richtung Lischkerholz - Roter Berg - Streitweiden (?), wo ein Doppeldecker-Motorflugzeug seine Kunststücke zeigte. Später, als ich selbst aktiv geflogen bin, sagte mir meine Muttr, dass ich mich ganz schön verkrochen hätte. Auch als mehrmals der Zeppelin über Naumburg in Richtung Leipzig oder Erfurt fuhr, war dessen Anblick und Motorengebrumm eher gespensterhaft. Dagegen war es angenehmer, den Himmelsschreibern zuzusehen, wenn sie ATA oder IMI an den blauen Himmel geschrieben haben. Dies geschah über Eulau-Goseck in Richtung Weißenfels. Aber besonders neugierig wurde unsere “Meute”, als wir wieder mal in der Lehmgrube “in der Wand” kletterten, gegen Abend ein Segelflugzeug kreisend immer tiefer kam und nahe den Häusern der Lepsius- oder Mädlerstraße gelandet ist. Wir mußten natürlich hin und beobachteten den Abbau und Abtransport. Ob der Pilot der Segelflugzeugbauer und Fluglehrer Karli Heidecke oder der Rekordflieger Peter Riedel - beide aus Naumburg - war, weiß ich leider nicht, aber ein besonderes Erlebnis für die damalige Zeit. Um noch bei der Fliegerei zu bleiben, war in der Weißenfelser Straße die Firma Robert Bley, die Sport-, Schul- und Leistungssegelflugzeuge herstellte. Später wurde die Firma von Dr. Ing. Ratjens, Tiefbauunternehmen, Abt. Flugzeugbau, übernommen und das weitbekannte “Grunau-Baby” und der Schulgleiter “SG 38" hergestellt, die auch viel ins Ausland geliefert wurden. Ich selbst war nach Ende der Lehrzeit und bestandener Gesellenprüfung dienstverpflichtet in der Produktion als Tischler eingesetzt. (Das war 1941, also schon im Krieg, in der ehemaligen Munitionsfabrik aus dem I. Weltkrieg draußen am Roten Berg bei Wethau). Eine weitere deutschlandbekannte Firma war der Flugmodellbau “Wegner”. Man konnte da alles bekommen, was für die kleinen Flieger gebraucht wurde. In Verlängerung der Artilleriekaserne war die Samenhandlung Frommhold, deren Sohn mit unter den ersten Gefallenen von unseren Naumburger Fliegerfreunden war. Auch der Sohn von der Schlosserei Krug in der Windmühlenstraße.
An der Windlücke, den “Platten” bei Schulpforte, begannen für mich die ersten Rutscher und Sprünge nachdem man einige Erfahrung als Gummihund (Startmannschaft mit Gummiseil) gesammelt hatte. Zeitlich wurde am Gelände der Reichssegelflugschule Laucha am Idiotenhügel und B-Hang geschult. Neben dem gemeinsamen Schulbetrieb mit der NPEA Naumburg und Schulpforte gab es in der “Kadette” öfters einen hervorragenden flugtechnischen Unterricht. Natürlich wurde nicht nur immer geflogen, gebaut oder repariert, da standen auch mal 3 Kinderbetten für das Winterhilfswerk auf dem Dienstplan, die wir von der Flieger-HJ hergestellt haben. Es wurden auch Kameraden, die nicht zum Flugdienst brauchten, abgestellt, um Sandsäcke zu füllen, für die Stifterfiguren und die ausgebauten Buntglasfenster einzusandeln, um sie vor Bombenschäden zu schützen. Auch in der Schule durften wir Jugendlichen an Sammel-Aktionen für VDA (Volksdeutsche im Ausland), WHW-Straßensammlungen, bei der Maikäferplage und Kirschenstiele für die Industrie oder Forschung tätig werden. Anfang des Krieges haben wir von den noch vorhandenen Fliegern für die Frontsoldaten und Verwundeten gesammelt, Weihnachtspäckchen gepackt und per Feldpost verschickt.
Unvergessen auch der Arbeitsplatz meines Bruders, der nachdem er sein Landjahr an der Mosel abgeleistet hatte, in der Meierei C. Bolle, Berlin, Schokoladenwerk Naumburg, damals noch Kanonierstraße, seine Lehre als kaufmännischer Angestellter beginnen durfte. Die Mitarbeiter bekamen Freitags zu ihrem Lohn noch ein Schokoladenpaket (Bruch). Das war uns zu Hause sehr willkommen, echt brüderlich geteilt. Die Fabrikräume waren, glaube ich, Teile der damals ehemaligen Artilleriekaserne.
Das Schützenfest in der Lehmgrube mit seinen Buden und Ständen besonders das Feuerwerk waren immer wieder beeindruckend. Als Schulsportplatz war die Grube auch reizvoll aber auch das zu sehen, wenn der Arbeitsdienst die Erdmassen auf der Lorenbahn bewegte und dabei sang, wozu und warum, weiß ich nicht.
Die Vogelwiese war neben der Festwiese von unserem Kirschfest Antrete- und Appellplatz aller Organisationen, auch militärischer Aufmärsche. Als Gegenteil dazu Tanz und Unterhaltung.: Der Bürgergarten (Lokal), Rosengarten, CC (= Café Central) am Markt und Café Reichskrone, wohl mehr für gehobene Ansprüche. Beliebt war auch noch der Hallische Anger. Für mich waren das Alter und die Brieftasche noch nicht ausreichend. Wir wussten kaum, dass es zweierlei Menschen gab. So hinterließen die Sonnwendfeiern auf dem Napoleonstein immer etwas romantischen Eindruck, obwohl der Sinn nicht ganz klar war. Nochmal zurück, als ich noch kleiner war, wurde sehnsuchtsvoll auf den zurückkommenden Eismann mit seinen Eiswagen aus der Nachbarschaft gewartet, wo wir vor dem Schlafengehen mit dessen Erfrischung beglückt wurden. Für die Eis-Diele (im Volksmund “Opiumhöhle”) war das Geld nicht da. Dagegen an den Wochenenden dufteten die Rostbratwurststände durch die ganze Stadt so verlockend, dass man den Geldbeutel entsprechend nicht widerstehen konnte. Andere ärmere Leute bevorzugten die Rosswurst von Meister Thurm an der Wenzelsgasse.
Beim Wintersport auf der “krummen Hufe” Schlittschuhlaufen, Schusseln und Schlittenfahren, hat es auch mal geknistert und gekracht, da, wo ich gerade war, war das Eis nicht mehr tragfähig und ich bin bis zur Brust eingebrochen. Da kein Badetuch dabei war, ging es im Laufschritt nach Hause. Die Begrüßung war nicht so herzlich. Von den Bierbrauern die Männer haben Löcher ins Eis gesägt und Blöcke rausgeholt, die dann im Vorratskeller für die Kühlung in den Gastwirtschaften in der Sommerzeit Verwendung fanden. Mit der Schule führte unser Weg entlang der Bahn, als zum ersten Mal der Schienenzeppelin die Strecke befahren hatte.
Die ehemalige Kaserne in der Weißenfelser Straße hatte neben, besser: unter den Wohnungen einige Betriebe und Werkstätten. Auf dem Kasernenhof fanden vom Radfahrverein “Diana” und oder “Saalestrand” Bahn-Radrennen statt. Auch Straßen-Rennen gingen Richtung Nebra durchs Unstruttal, die Hainleite und Leipzig und zurück. Ich selbst lernte erst in der Lehrzeit überhaupt Rad fahren, obwohl der Vater aktiv beim Radsport war. Die Kaserne wurde von Zivil geräumt und militärisch bis Kriegsende genutzt.
Da wir Kinder im Wachstum begriffen waren, sorgten wir auch auf ehrliche Weise für Proviant und besorgten für das spärliche Taschengeld bei einem Bäcker für 10 Rpf. eine halbe Einkaufstasche Kuchenränder, die nicht bis nach Hause gebracht wurden. Dagegen aus der Molkerei die Käsestücke und beschädigten sauren Gurkenstücke waren eine willkommene Nahrungsergänzung. Am Hotel “Zum Schwarzen Ross” am Wenzelsring beim Kaiser-Wilhelm-Denkmal haben 2 mal die Schilderhäuschen für die Ehrenposten der Naumburger Garnison gestanden. Erst für den Besuch des Reichswehr(?)-Ministers Werner v. Blomberg. Meiner Ansicht vermutlich wegen Ausbau der Naumburger Garnison, denn es waren neben Artillerie Regiment 14 das Infanterie Regiment 53, Post- und Wasserschutz, Heereszeugamt und Heeresverpflegungsamt bei Kriegsbeginn vorhanden. Bei vorletzterem konnten wir während der Bauzeit manchen Handwagen voll Brennholz von den Verschalungen nach Hause fahren. Und dann war 1938 zur Konfirmation von Fräulein R. v. W. deren Onkel, der alte Herr Feldmarschall (?) v. Mackensen zu Besuch in Naumburg. Während einer meiner Besuche zu DDR-Zeiten stellte sich im Gespräch mit einem ehemaligen Schul- und Sportkameraden heraus, dass meine Frau mit der Konfirmantin Fräulein R. v. W. zusammen bei der gleichen LW-Einheit zum Kriegsdienst verpflichtet waren. Mit Freude und Bewunderung sahen wir gerne die berittene Militär-Musikkapelle mit dem Kesselpauker durch die Straßen ziehen, aber auch die Pferdepflege an den “Ari”-Ställen erweckte unsere Aufmerksamkeit. Bedauerlich war es nur, wenn mal ein Gaul sich selbständig gemacht hatte und der betroffene Landser durchs Kasernengelände hinterher traben mußte, bis er ihn wieder gefasst hatte. Bei der Einweihung vom “Langemarck-Denkmal” für die Gefallenen im I. Weltkrieg war ich als Zuschauer auch dabei, als die wieder uniformierten Veteranen am Posttöchterhort vorbei die Neidschützer Straße hochzogen. Der Fackelschein war glaube ich bei anderen Anlässen. In den Ferien ging die Bahnreise (meistens mit dem Bruder Jahrgang 25) nach Nebra zu den Großeltern ins schöne Unstruttal mit den Sandsteinbrüchen und abwechslungsreicher Landschaft. Bei der Unterhaltung mit dem Großvater, der Steinbildhauer war, wurde mir erst klar, dass der Naumburger Dom bei mir bis dahin nicht die verdiente Aufmerksamkeit gefunden hatte, was dann später und auch beim Fronturlaub als Soldat nachgeholt wurde. Mit der Wenzelskirche war es fast ebenso. Sie wurde mit ihrem guten Ausblick über die ganze Umgebung eher nur als Aussichtsturm benutzt. Zu Fuß und auch mal mit dem Schiff auf der Saale ging es von Bad Kösen zur Rudelsburg. Die Neuenburg und Freyburg waren sehr beliebte Ausflugziele. Natürlich war die Weinkarte noch nicht für uns gedruckt, dafür durften wir in das Jahnmuseum.
Noch in der Friedenszeit 1939 wurde für das Wochenende, als der Krieg mit Polen begann, von der Belegschaft meiner Lehrwerkstatt ein Wandertag vorgesehen. Da einige Gesellen durch die Mobilmachung schon die Einberufungsbefehle hatten, wurde die Frage gestellt: “Wollen wir den Ausflug lieber bis nach dem Kriegsende aufschieben?” Es wurde abgelehnt und wir wanderten über Bad Kösen, die Saalhäuser entlang nach Roßbach und Klein-Jena. Keiner konnte ahnen, was die Zukunft für alle bereitgehalten hat. Mein Meister sang unter anderem das bekannte Hobellied mit dem Schluß: “... dann leg ich meinen Hobel hin und sag der Welt adé”. Für manchen zutreffend. Es war nie mehr möglich, dass wir zusammen kommen konnten und somit meine Jugendzeit in Naumburg beendet. Nach dem schrecklichen Krieg blieb ich schon 1945 in Hessen.
Aus der Siedlung “Am Hohen Stein” waren wir 4 Schüler, die aus der selben Klasse schulentlassen wurden. Doch nur ich habe den Krieg schwerbeschädigt überlebt. Harry Hartmann blieb auf See, Heinz König und Gerhard Gehlfuß sind im Osten gefallen. Hierzu konnte ich noch nichts erfahren, wie viele und welche Kameraden aus Naumburg bis 1945 und anschließend in Gefangenschaft geblieben sind und unsere schöne Heimat nicht wiedersehen konnten.
Mir ist bekannt, dass nach Kriegsende eine namentliche Aufstellung gedruckt wurde (mein Vater war in der Druckerei beschäftigt, auch wurden da noch Lebensmittelkarten gedruckt) worin auch jüdische Mitbürger aufgeführt waren, aber die Anmerkung, dass auch einige den Alterstod erlitten hatten, veranlasste die damalige Verwaltung oder Behörde zur Beschlagnahme der Druckschrift.
Ich wäre sehr dankbar, wenn mir heute jemand eine derartige Aufstellung zukommen lassen würde.