Die "Lützower Standarte"
Stickereien auf schwarzem Seidentuch, sparsamer Pailletenbesatz
"Mit Gott" / [Krone] / [Adler] / [Monogramm Friedrich Wilhelms III] / [Kranz] / "Für König und Vaterland / 1813"
Die wilde Jagd und die deutsche Jagd Auf Henkersblut und Tyrannen! |
Zu Beginn der "Freiheitskriege" erhielt der preußische Freiherr Adolf von Lützow 1813 die Genehmigung zur Bildung eines nichtpreußischen Freiwilligencorps, das nach seiner Montur "Schwarze Schar" benannt wurde und vornehmlich hurrapatriotische Studenten und Akademiker aller deutschen "Stämme" anzog – unter ihnen Theodor Körner, Friedrich Ludwig Jahn, Karl Friesen, Joseph v. Eichendorff, Friedrich W. A. Fröbel, Friedrich de la Motte-Fouqué. Die zeitweise 2 900 Infanteristen, 600 Kavalleristen und 120 Artilleristen starke Freischar operierte im Rücken des Gegners mit weitaus mehr propagandistischem als militärischem Erfolg. Sie wurde am 17. 6. 1813 bei Kitzen vom Gegner aufgerieben.
Die "Lützower Standarte" soll damals im Kampfgetümmel von Kitzen von einem jungen Lützower namens Karl Wilhelm Beyer von der Standartenstange abgerissen und gerettet worden sein. Über seine Nichten kam sie etwa 100 Jahre später ins Naumburger Museum.
Wie so oft, so ist auch in diesem Falle die Authentizität des Objekts nicht über alle Zweifel erhaben. Die Fahne kam erst im ersten Jahrzehnt des 20. Jh. in den Besitz des Museums. Ihre Geschichte war in der Familie der damaligen Spenderinnen überliefert worden, wurde aber erst später schriftlich fixiert. Hier die entsprechenden Akten-Einträge:
[SAN 10778, f. 155: Bericht Verwaltungsoberinspekton i. R. Lehmann, 20.10.1932.]
[...]
"Die Standarte der Lützowschen Freikorps hat der am 20. Oktober 1794 in Alt-Wurow, Kreis Dramburg geborene, im August 1867 in Frankfurt/Oder als Pensionär verstorbene Oberstleutnant Karl-Wilhelm Beyer im Lützowschen Korps getragen! Seine Nachkommen unser früherer Standesamtssekretär Major a. D. Friedrich Beyer sowie die Geschwister Alwine und Sidonie Schultz (letzterer gestorben am 30. Juni 1913 in Naumburg) wissen nur, dass er die Standarte stets unter dem Waffenrock getragen haben will. Nach Auflösung des Lützow’schen Freikorps ist er sodann als Offizier in das Infanterieregiment Nr. 29 eingetreten.
Da er nicht verheiratet war, sind direkte Nachkommen nicht vorhanden!
Major a. D. Friedrich Beyer, [...] unser früherer Standesbeamter, verzogen am 5. Oktober 1920 nach Berlin, Wickinger Ufer 8, war der Sohn eines jüngeren Bruders, und die Stifterinnen der Standarte Fräulein Alwine und Sidonie Schultz (s. Zt. hier, Wenzelspromenade in der Alten Artilleriekaserne jetzt Nr. 3 wohnhaft) waren die Töchter einer älteren Schwester des Oberstleutnants Beyer namens Wilhelmine Schultz, geb. Beyer, diese und deren Ehegatte Postkommissarius a. D. Karl Gottlob Schultz sind in Naumburg verstorben.
Die infrage kommende Standarte wurde gelegentlich der Jahrhundertfeier der Freiheitskriege im Jahre 1913 in einer Ausstellung in der Stadt Breslau unter Glas und Rahmen zur Schau gestellt. An der Echtheit der Standarte ist auch bei dieser grossen Ausstellung nicht gezweifelt worden.
Ich verweise auf Blatt 277, 283-298 der Akten Loc. 2 Nr. 30 von 1911.*
Naumburg a. S., den 31. Oktober 1932
Lehmann
Verwaltungsinspektor i. R.”
[...]
[*Die Akte Loc 2/30 (=SAN 1631, f. 287) enthält den Ausleihvorgang der Standarte für die Ausstellung zur Jahrhundertfeier der Befreiungskriege in Breslau 1913. Die Schilderung findet sich auf einem Anmeldebogen für die Ausstellung, datiert 6. Juni 1912. Lehmann gab 1932 den Text von 1912 fast wörtlich wieder, ergänzt lediglich um einige wenige Angaben wie etwa dem Todesdatum der Sidonie Schultz.]
[SAN 10778, f. 156: handschriftlicher Zettel (E. Borkowsky?), ohne Datum (Okt. 1932?).]
“Diese Standarte des Lützower Freikorps hat 1813 Karl Wilhelm Beyer getragen, und er hat sie unter seinem Waffenrock aus allen Gefahren gerettet. Nach der Auflösung des Freikorps ist er als Offizier in das Inf. Reg. 29 eingetreten und ist dann 1867 als Oberstleutnant a. D. in Frankfurt a. O. gestorben.
Er hatte keine direkten Nachkommen. Sein Neffe, der Major a. D. Friedrich Beyer, Standesbeamter in Nbg. (bis 1920), und seine Nichten, Frln. Alwine und Frl. Sidonie Schultz in Nbg. habe die Echtheit des Standartentuchs das sich in ihrer Familie vererbt hatte, ausgesprochen und haben es dem Heimatmuseum geschenkt.”
[StAN Mag 7408, f. 59: Anfrage eines entfernten Verwandten Beyers nach dem Verbleib der Standarte, 4. Sept. 1930.]
“Es handelt sich [...] um ein Fahnentuch, welches der Oberstleutnant Wilhelm Beyer bei einem Ueberfall der Lützower bei Kitzen von der Standartenstange abgerissen und gerettet hat.”