Das Weibernösel
Aus mittelstark, aber grobkörnig gemagertem Ton gedrehter Krug, der auf Grund seiner Form, des Materials und der Glasurfarbe der Waldenburger Ware zuzurechnen ist. Die rheinischen Vorbildern folgende Reliefzier (Fadenranken, zwei Kruzifixe, gestempelte Bartmannsköpfe, Vögel, Eicheln und Blätter) verleihen dem mit 47 cm Höhe recht stattlichen Gefäß seine Einzigartigkeit.
Das "Nösel" ist eigentlich ein Hohlmaß für Flüssigkeiten und Getreide, das - je nach Zeit und Landschaft verschieden - etwa einem halben Liter entspricht. Die Zinnmontierung unseres wohl um 1530 entstandenen Gefäßes wurde 1723 erneuert, ebenso wurde ein zinnerner Henkel angesetzt. Der Zinndeckel trägt die vollplastische Figur einer Bürgersfrau.
Die Bezeichnung "Weibernösel" leitet sich wohl von einem nch dieser Restaurierung (ursprünglich an einer Kette) angebrachten Schild ab. Dieses trägt den gravierten Spruch: "ANNO 1600 ZU NAVMBVRG TRINCKt / MANN GERNE WEIN / IN MICH GEHET IVST / EIN NOESEL NEIN / VIEL WEIBER HABEN / MICH VISIRET / HERR STEINAVER ABER RENOVIREt / ZU EHREN DER BRAFEN WEIBER: / SCHAAR / IN SIEBZEHNHUNDt / ERT DREI VND ZWAN: / ZIGStEN IAHR".
Aus Horschiks großem Werk über das sächsisch-thüringische Steinzeug:
"... Noch deutlicher zeigt die Anlehnung an das rheinische Vorbild ein einzigartiges Waldenburger Gefäß, der Naumburger "Weibernößel". Seine Eiform mit konischem Hals wie auch das Material und die Glasurfarbe weisen auf diesen Ursprung hin. Als Entstehungszeit wird man die dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts annehmen können. Der Krug hat eine Höhe von 47 cm und wurde aus mittelstark, aber grobkörnig gemagertem Ton gedreht. Die ockerfarbene Glasur geht stellenweise in bräunliche und grau-braune Tönungen über. Dieselben Materialeigenschaften besitzen noch manche Gefäße aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, deren Waldenburger Herkunft feststeht. Sein Reliefschmuck besteht aus den aufgelegten Fadenranken und zwei kleinen Kruzifixen. Mit Stempelformen wurden Bartmannköpfe, Vögel, Eicheln und Blätter in die Wandung gepreßt. Die Ranken wachsen aus einer großen, die gesamte Schauseite bedeckenden Gabelung, die auf dem Ablauf beginnt und in steiler Diagonale bis zur Schulter reicht. Den beiderseits der Gabel entsprossenden Spiralranken schließen sich immer weitere, ebenso geformte Triebe an, die den gesamten Gefäßkörper bedecken. In der obersten Weite der Gabel liegen auf der Schulter die beiden kleinen Reliefkruzifixe. Dazwischen ist ein Vogel eingestempelt, unter ihm folgen sechs bärtige Köpfe in der Gabelung und je drei seitlich dicht daneben. Vielleicht sollen sie die 12 Apostel darstellen. Alle eingerollten Ranken enden in zwei gegenständigen Eicheln. Vereinzelt sind geschweifte spitze Blätter mit Mittel- und Seitenrippen neben die Ranken gesetzt, zwischen denen man kleine Vogelstempel erkennt.
Auf den beiden Krugseiten sind abermals 12 Bartmannsköpfe in das Rankenwerk gesetzt. Die reiche Dekoration wird auf dem schwach gerillten Ablauf von einer lockeren Reihe hängender, akanthusähnlicher Blätter abgeschlossen, die ebenfalls gestempelt sind. [...] Es ist nicht bekannt, welchem Zweck das Naumburger Gefäß diente. Volkstümliche Deutungen scheinen erst im 18. Jahrhundert entstanden zu sein. Aus dieser Zeit stammt auch eine erneuerte Zinnmontierung und die Ergänzung des Henkels in Zinn. Hierbei wurde die Krugwand durchbohrt und der Henkel angegossen. Durch die Restaurierung sind die Ansatzstellen des Henkels vom Metall überdeckt, so daß weder Form noch Material des früheren Steinzeughenkels zu erkennen sind."
[Josef Horschik: Steinzeug. 15. bis 19. Jahrhundert. Von Bürgel bis Muskau. Dresden, 3. Auflage 1990. S. 62, Abb. S. 106.]
Stammdaten
Renoviert durch Johann Christian Steinauer 1723