Plötzlich hörten wir in der unterhalb der Domteiche gelegenen Kanalstraße - heute Freyburger Straße - Musik. Sie kam von zwei Straßenmusikanten, die ort aufspielten. Der eine von beiden hatte einen “Zerrwanst” (Ziehharmonika) und sang dazu, der andere gab mit einer Pauke auf dem Rücken und einer an einem Bügel vor dem Gesicht befestigten Mundharmonika der Darbietung eine ganz persönliche Note. Teil der Oberprima 1940 unter dem Nussbaum mit "Papa Kegel" Dieses originelle Duo inspirierte uns zu einem lustigen Streich. Denn es fiel uns ein, dass wir im Laufe des Vormittags noch Deutsch-Unterricht bei Studienrat Eller hatten. Er war ein Liebhaber der klassischen, deutschen Dichter und bemühte sich die Schönheiten ihrer Werke auch unserer mitten in der Pubertät befindlichen Klassengemeinschaft nahe zu bringen. Er galt als ängstlich und leicht erregbar und war daher Zielscheibe von mancherlei Schabernack. Seinen Spitznamen “Häschen” hatten wir schon in der Sexta kennen gelernt. Beim Anblick der Musikanten kam uns der Gedanke “Eller-Häschen” mit einem Ständchen zu überraschen. Wir handelten also mit den Künstlern ein 10-Minuten-Konzert im Schulhof während der Deutschstunde aus. Ihr Honorar wurde mit einer Taschengeld-Umlage finanziert. In der Pause vor dem Deutsch-Unterricht verkeilten wir die Fenster unseres Klassenraumes. Erich Eller kam wie immer pünktlich und fand uns - im Gegensatz zu vielen anderen Tagen - völlig diszipliniert vor. Diese “Ruhe vor dem Sturm” hielt auch weiterhin an. Nur schauten wir ab und zu mal erwartungsvoll auf unsere Uhren. Eine Viertelstunde nach Unterrichtsbeginn setzten dann draußen die Instrumente ein und das “Häschen in der Grube” erklang im schönsten Sächsisch. Zunächst hörten wir andächtig zu, dann folgten Klatschen und Kommentare. “Häschen” stürzte zum Fenster und bat sich Ruhe aus - ohne Erfolg! Sein Versuch die Fenster zu schließen, scheiterte trotz unserer Mithilfe kläglich. Unten spielten die Musikanten unermüdlich weiter. Schließlich drohte Ihnen unser Lehrer mit hochrotem Kopf an, die Polizei zu holen, wenn sie nicht sofort aufhören würden. Inzwischen waren wir auch alle am Fenster versammelt. Die Künstler unterbrachen kurz ihr Spiel und der Sänger sagte: “Herr Studjenrad, es dud uns sähre leid, aber mir gönn’ beim bästen Will’n noch nich uffhör’n, denn wir sin for 10 Minuden bezahld!” Das spätere Nachsitzen für diese ungewöhnliche Unterrichtsunterbrechung haben wir gern in Kauf genommen. Abschließend sei dankbar festgehalten, dass wir in der Oberstufe gut mit Studienrat Eller zusammen gearbeitet haben. Er hat uns viel an kultureller Bildung mitgegeben. In der Oberprima begleitete er uns einige Tage auf einer Klassenfahrt nach Weimar, wo wir an der Aufführungen anlässlich der Schiller-Festspiele der H.J. teilnahmen.
Wolfgang Altenburg, Meerbusch (1937)
Das besondere Konzert
An einem schönen Junitag im Jahre 1937 genossen die Obertertianer des Naumburger Domgymnasiums in der ersten Pause den Sonnenschein. Wir standen an unserem Stammplatz, nämlich am Zaun vor dem Walnussbaum, der zum Garten von “Papa Kegel”, unseres Griechisch-Lehrers gehörte.